Der Trend zum Single-Player-MMO oder "Hell is other people"

  • Die Seite www.mmorpg.com veröffentlicht unter der Rubrik "The Devil's Advocate" regelmäßig Beiträge, in denen es um die Entwicklung der MMOs unter verschiedenen Blickpunkten geht, oftmals verbunden mit teilweise schon philosophischen Ansätzen. Ich lese diese Beiträge sehr gerne.


    Gestern gab es eine neue Ausgabe unter dem Titel "On MMOs Going Solo", die ich für ganz besonders lesenswert halte. Darin geht es nicht (wie man zunächst vermuten könnte) darum, es zu beklagen, dass MMOs immer mehr Single-Player-Inhalte und immer weniger Gruppeninhalte anbieten. Vielmehr stellt der Autor die Frage, warum die Spielerschaft heute viel mehr SP-Inhalte fordert, als früher - und stellt dabei sehr interessante Thesen auf. Hierbei geht es unter anderem auch um die Wertschätzung, die man anderen Mitspielern in einer Online-Welt entgegen bringt, gegenüber der immer verbreiteteren Einstellung, dass die anderen Mitspieler nur ein "Mittel zum Zweck" auf dem Weg zum persönlichen Erfolg sind - wodurch natürlich die soziale Interaktion stark leidet.


    Wie gesagt, sehr lesenswert. Allerdings nur in Englisch verfügbar.


    On MMOs Going Solo auf MMORPG.com

    "Wir hören nicht auf zu spielen, weil wir alt werden. Wir werden alt, weil wir aufhören zu spielen." (George Bernard Shaw)

  • Zitat

    In terms of MMO gaming today, the idea that people team up to group or raid and earn loot is an example of people banding together because they want something they can't get by themselves. They aren't joining together because they know all the other people and think they're great.


    Ich denke, dass das auf viele Spieler sicher zutrifft.
    Wer interessiert sich denn noch wirklich für seine Mitspieler? Selbst für seine Gildenmitglieder interessieren sich doch heute die wenigsten wirklich.
    Klar, man weiß, welche Klasse hinter welchem Nick steht und hin und wieder kennt man auch den RL-Namen.
    Aber die meisten wollen doch gar nicht mehr mit anderen zu tun haben.
    Da ist Inhalt, den man so oder so alleine bewältigen kann natürlich interessanter.

  • Den Artikel fand ich auch recht interessant.




    Persönlich finde ich die Entwicklung in diese Richtung recht bedauerlich. Ein MMO kann auch noch so viel Inhalt zum alleine spielen anbieten, sobald man für etwas eine Gruppe benötigt, werden sich garantiert auch Leute finden die sich darüber beschweren.




    Nur warum ist das so? Ich denke: wenn ich Raids nicht mag, muss ich sie nicht spielen, das gleiche für PvP, schwere Instanzen oder auf Gruppen ausgelegte Quests. Wenn ich das nicht mag, kann ich es doch einfach lassen. Aber warum sollte ich mich über das vorhanden sein dieses Inhalts beschweren? Ist ein Spiel schlecht, nur weil es Inhalt bietet, den ich nicht nutze? Oder ist ein Spiel schlecht, nur weil es Inhalt bietet, der für mich persönlich zu schwer ist? So lange es "genügend anderen" Inhalt bietet ist meine Antwort darauf ganz klar nein. Aber das diese Antwort für viele nicht (mehr?) die richtige ist, sieht man ja immer wieder und auch hier beim Netz - z.B. gerade beim Thema Raids. Wenn ich keine Zeit/Lust auf Raids habe, spiele ich sie einfach nicht.




    Ist ein Restaurant besser, nur weil es etwas nicht auf der Karte hat, dass ich mag? Oder ein anderes schlechter, nur weil es etwas auf der Karte hat, dass ich nicht mag?




    Auch die Wertschätzung für andere Spieler empfinde ich als immer weiter sinkend. In "Randomgruppen" passiert es in den letzten Jahren mit stetig steigender Wahrscheinlichkeit, dass man sich nicht mal mehr die Mühe macht "Hallo" und "Tschüss" zu schreiben. Und um "das habe ich noch nicht erlebt" vorzubeugen: um das zu merken, muss man natürlich regelmäßig, seit einigen Jahren und in mehreren MMOs auch aktiv Gruppenspiel betrieben haben. Vielleicht mag das die meisten nicht stören, mich aber schon. Wenn ich nach einer Gruppenaktivität das Gefühl habe, die anderen Mitspieler hätten auch NPCs sein können (von denen ich dann vermutlich mehr Kommunikation geboten bekommen hätte), dann frage ich mich immer, wieso ich nicht gleich ein Singleplayer-Spiel spiele.




    Ähnliches kann man sagen, wenn man seit Jahren Gilden leitet: wenn jemandem etwas nicht passt, geht er lieber, anstatt es einfach zu sagen und zu versuchen, dass Problem aus der Welt zu schaffen. Wie oft hat man Leute gehen sehen und erfährt erst im Nachhinein, warum überhaupt. Zu oft ... und zu oft denkt man sich dann, dass man genau diesen Punkt ja hätte ändern können, wenn man nur etwas davon gewusst hätte. Von Ehrlichkeit wollen wir gar nicht erst anfangen, dass führt glaub zu weit vom Thema ab, aber: es ist erschreckend.




    Ich denke, all das steht in gewisser Weise in einem Zusammenhang. Unterm Strich geht es um die persönliche "Bespaßung" und die wird oft, ohne Rücksicht auf Verluste, gesucht und verlangt. Oft genug ohne dabei zu merken, dass man sich gerade damit einen großen Teil des Spaßes raubt. Ich sag immer wieder: einer der größten Fehler als Entwickler ist es, zu sehr auf das zu hören, was die Spieler sagen das sie wollen.




    Edith meint: Am Ende denke ich an ein Final Fantasy 11, welches zu einem großen Teil nur in einer Gruppe sinnvoll zu spielen war und welches, laut Aussage von Square Enix selbst, der Titel ist, der ihnen am meisten Gewinn beschert.

  • Was ich in dem Artikel besonders interessant finde ist die Überlegung, dass durch die mangelnde gegenseitige Wertschätzung unterbewusst das Interesse an gemeinsamen Unternehmungen bei den Spielern immer weiter sinkt, wodurch das Verlangen nach SP-Inhalten immer größer wird.


    So habe ich das bisher noch nie gesehen, muss aber zugeben, dass da etwas dran ist. "Früher" waren Begegnungen mit anderen Spielern durchaus etwas sehr Schönes und Interessantes. Ich will gar nicht abstreiten, dass das auch heute noch möglich ist, aber bei mir ist es (leider) schon lange her, dass mir in einem Spiel zufällig jemand Fremdes über den Weg lief, mit dem ich ein nettes Gespräch angefangen hätte oder woraus sich sogar eine freundschaftliche Bekanntschaft entwickelt hätte. Wenn ich da wieder mit Geschichten aus alten Zeiten in längst vergangenen Jahrhunderte komme... ( ;) )


    "Früher" war man völlig ohne Gruppenfinder auf zufällige Gruppen angewiesen - und das funktionierte erstaunlich gut. Natürlich gab es auch damals Spieler, bei denen man schnell merkte, dass man sie lieber nicht näher kennen lernen möchte. Aber grundsätzlich gab es eine positive Grundstimmung für ein sehr freundschaftliches Miteinander. Da stand eben nicht irgendein zufälliger Krieger, der hoffentlich dieses oder jenes Build oder Equipment hat - sondern eine echte Persönlichkeit, über die man mehr wissen wollte. Mit fast jedem zufälligen Gruppenmitglied kam man während des Spielens ins Gespräch und tauschte sich aus. Zufällige Begegnungen waren häufiger positiver Natur, einfach weil bei allen die Bereitschaft dazu vorhanden war.


    Ich will ja auch nicht immer meckern und sagen, dass früher alles besser war. Aber diese Entwicklung ist halt leider unverkennbar und dieser Artikel hat mir diese Zusammenhänge in beeindruckender Art und Weise dargestellt. Und für mein Empfinden zeichnet es den Autor dieses Artikels gerade aus, dass er nicht seitenlang beklagt, wie schlimm das alles ist, sondern vielmehr versucht Überlegungen anzustellen, warum es so ist.


    Zitat

    Ich denke, all das steht in gewisser Weise in einem Zusammenhang. Unterm Strich geht es um die persönliche "Bespaßung" und die wird oft, ohne Rücksicht auf Verluste, gesucht und verlangt. Oft genug ohne dabei zu merken, dass man sich gerade damit einen großen Teil des Spaßes raubt. Ich sag immer wieder: einer der größten Fehler als Entwickler ist es, zu sehr auf das zu hören, was die Spieler sagen das sie wollen.


    Edith meint: Am Ende denke ich an ein Final Fantasy 11, welches zu einem großen Teil nur in einer Gruppe sinnvoll zu spielen war und welches, laut Aussage von Square Enix selbst, der Titel ist, der ihnen am meisten Gewinn beschert.


    Das kann ich nur unterstreichen, ich sehe das genauso. Da sind wir wieder genau bei dem Thema, dass vermeintlich erfolgreiche Konzepte gerne kopiert werden und der größtmöglichen Kundenzielgruppe lieber das serviert wird, was sie schon unzählige Male gekauft hat, anstatt eigene und besondere Wege zu gehen...

    "Wir hören nicht auf zu spielen, weil wir alt werden. Wir werden alt, weil wir aufhören zu spielen." (George Bernard Shaw)

  • Die Frage nach dem warum finde ich schwierig, ist für mich etwas wie mit der Henne und dem Ei.




    Ich stelle nur bei mir selber (leider!) fest, dass ich selbst, aufgrund schlechter Erfahrungen, immer mehr darauf verzichte mit zufälligen Mitspielern zu spielen und mich lieber auf die Leute beschränke, die ich schon kenne, was eigentlich bedauerlich ist.

  • Genau das ist es ja, was ich meine. Genau das hat mir der Autor so sehr vor Augen geführt.




    Wie bei Dir ist bei mir bzw. uns in den letzten Jahren die Bereitschaft zum zufälligen Gruppenspiel auch immer mehr zurückgegangen. Und zumindest für mich kann ich sagen, dass der Artikel den Grund dafür genau getroffen hat. Der Grund ist nämlich nicht unbedingt, dass man mal mit jemandem in eine Gruppe kommt, der einem unsympathisch ist - so etwas gibt und gab es schon immer.




    Der Grund ist vielmehr, dass viele Spieler das Gruppenspiel nur als eine Notwendigkeit betrachten, um bestimmte Spielinhalte zu erreichen und sie andere Spieler daher nur als "notwendige Ressource mit möglichst optimaler Performance" ansehen. In dem (teilweise unterbewussten) Wissen, dass dies so ist und bei der Mehrheit der Spieler mit großer Wahrscheinlichkeit kein Interesse am sozialen Miteinander besteht, geht man diesen zufälligen Begegnungen lieber aus dem Weg und beschränkt sich auf die Leute, die man kennt.

    "Wir hören nicht auf zu spielen, weil wir alt werden. Wir werden alt, weil wir aufhören zu spielen." (George Bernard Shaw)

  • Zitat

    "Früher" waren Begegnungen mit anderen Spielern durchaus etwas sehr Schönes und Interessantes. Ich will gar nicht abstreiten, dass das auch heute noch möglich ist, aber bei mir ist es (leider) schon lange her, dass mir in einem Spiel zufällig jemand Fremdes über den Weg lief, mit dem ich ein nettes Gespräch angefangen hätte oder woraus sich sogar eine freundschaftliche Bekanntschaft entwickelt hätte.


    Ist mir so passiert bei Lotro.
    Über eine anfängliche Zufallsbegegnung ist eine längere "ingame-Freundschaft" entstanden, die zu vielerlei Unternehmungen und zuletzt dann zur Mitgliedschaft einer tollen Lotro Sippe geführt hat. Mit den Leuten hab ich sporadisch immer noch Kontakt.
    Es gibt sie noch, diese freundlichen Spieler, die man "on the Fly" kennenlernt...


    ...und:
    Letztlich bin ich auf genau die Art und Weise ins "Netz" geraten...
    als Random bei SWtOR :D

    Video games don`t affect kids!!!
    If pacman had affected us as kids, we`d be all running around in darkened rooms,
    munching magic pills and listening to repetitive music!

    -NINTENDO CEO-

  • Ich hab letztlich auf die genau Weise auch Leijona gefunden :D




    Aber bei mir ist es mit den "Randomgruppen" und der steigenden Abneigung dagegen genau so wie bei Yanadil, aus dem gleichen Grund. Das negativste Beispiel, dass ich heute noch im Kopf habe, stammt aus RIFT-Zeiten. Aber dass, warum, warum man für viele Spieler nur ein mittel zum Zweck, ein besserer (oder gar schlechterer ...) NPC ist, auf die Frage hab ich noch keine Antwort für mich gefunden.

  • Falls das bei mir eben zu negativ rübergekommen sein sollte: Natürlich habt Ihr Recht und es gibt glücklicherweise auch heute noch sehr nette zufällige Begegnungen. Sie sind leider seltener geworden, aber es gibt sie noch. Und das ist ja auch ein Grund zu Hoffnung. :)

    "Wir hören nicht auf zu spielen, weil wir alt werden. Wir werden alt, weil wir aufhören zu spielen." (George Bernard Shaw)

  • Ein interessanter Beitrag, der mich aber auch etwas an den Thread mit der neuen GW2-Gildenfunktion erinnert hat, der manche eher ablehnend gegenüberstehen ;) Obwohl noch keiner einen Nachteil nennen konnte und es neue Bekanntschaften erschließt.




    Ist es also nicht schon so, dass sich dieses "Ich spiele lieber mit meinen eigenen Leuten und Randoms ist aus den Weg zu gehen" in den Köpfen festgefressen hat?


    Dabei sind diese "Randoms" selbst in Gilden und einige durchaus sympatisch. Und ist man dann eigentlich selbst für diese der "Random"?




    Beinahe schon philosophisch.

  • Was mir grad noch einfiel: Vielen geht es vermutlich gar nicht mehr so darum gemeinsam zu spielen, sondern, wie oben schon steht, "Inhalte zu bewältigen". Und das geht leichter von der Hand, wenn man nicht von externen "Faktoren" abhängig ist. Viele sind anscheinend im Alltag/Berufswelt etc. schon dermaßen vernetzt und von anderen Personeninfos überschwemmt, dass sie Ihre "Auszeit" solo im Computerspiel suchen. Ich denke da nur an die ganzen Social Networking Dienste, die Immer-Erreichbarkeit am Handy, die immer mehr geforderte "Mobilität".




    Auch ich habe solche Phasen im Jahr. Dann setze ich mich am Abend aber nicht an ein MMO. Sondern in den Garten. Oder vor die Hifi-Anlage. Oder wenns der Computer sein muss, vor ein gutes Singleplayer-Spiel wie Skyrim. MMOs sollten finde ich wieder mehr der Gruppenaktivität gewidmet sein.

  • Zitat

    Ist es also nicht schon so, dass sich dieses "Ich spiele lieber mit meinen eigenen Leuten und Randoms ist aus den Weg zu gehen" in den Köpfen festgefressen hat?
    Dabei sind diese "Randoms" selbst in Gilden und einige durchaus sympatisch. Und ist man dann eigentlich selbst für diese der "Random"?


    Genau so ist es. Und eine Theorie, wie es zu dieser Situation gekommen sein könnte, wird in dem MMORPG-Artikel diskutiert. Natürlich ist es richtig, dass man nach vielen schlechten Erfahrungen eine gewisse Vorsicht und Zurückhaltung beim Kontakt mit anderen an den Tag legt, die im Einzelfall möglicherweise völlig fehl am Platze ist. Aber wenn man oft genug negative Begegnungen hatte, dann wird man eben vorsichtig - und das wirkt sich natürlich auch unweigerlich auf das eigene soziale Verhalten anderen gegenüber aus, da gebe ich Dir völlig Recht.


    Zitat

    Viele sind anscheinend im Alltag/Berufswelt etc. schon dermaßen vernetzt und von anderen Personeninfos überschwemmt, dass sie Ihre "Auszeit" solo im Computerspiel suchen. Ich denke da nur an die ganzen Social Networking Dienste, die Immer-Erreichbarkeit am Handy, die immer mehr geforderte "Mobilität".


    In jedem Fall ein interessanter Aspekt, der ganz bestimmt ebenfalls ganz große Auswirkungen auf das Thema hat. Möglicherweise wollen viele dieser permanenten Transparenz und Erreichbarkeit, der sie heute mehr oder weniger "ausgeliefert" sind, in ihrer Freizeit aus dem Weg gehen. Das hat ganz bestimmt auch erhebliche Auswirkungen auf unser aller soziales Verhalten.


    Zitat

    Beinahe schon philosophisch.


    Sogar sehr. :)

    "Wir hören nicht auf zu spielen, weil wir alt werden. Wir werden alt, weil wir aufhören zu spielen." (George Bernard Shaw)

  • Man stelle sich vor, die Leute gehen nicht zum Metzger um ihr Fleisch zu kaufen sondern zum Bäcker. Dort beschweren sie sich so lange, bis der Bäcker nachgibt und keine Brote mehr sondern Fleisch verkauft. Er macht nun für ein paar Wochen mehr Geld als mit seinem Brot, muss sich aber dann wieder neues Gemecker anhören bis er sein Sortiment wieder ändert. Mit dem Brot hat er zwar kurzfristig weniger verdient, dafür aber langfristig mehr und Konstanter. So kommt es mir manchmal vor, wenn man offizielle Foren liest und schaut, was ein paar Monate/Jahre später auf dem Markt so passiert. Aber der Tag wird kommen, an dem in der gleichen Straße wieder ein richtiger Bäcker eröffnet :D




    Natürlich gibt es viele nette, tolle Spieler und irgendwo ist jeder "Random". Aber, wie Yanadil hat anklingen lassen: wenn man über ein paar Jahre und Spiele hinweg öfter negative Erfahrungen gemacht hat, wird man vorsichtig/skeptisch - dass das kein absonderliches Phänomen ist, zeigt der Artikel.